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Maur
12.07.2024
21.10.2024 09:30 Uhr

Reto Gaudenzi führt ein Leben auf der Überholspur

Reto Gaudenzi : St. Moritzer Legende und Vorreiter des Polosports.
Reto Gaudenzi : St. Moritzer Legende und Vorreiter des Polosports. Bild: z. V. g.
Der Unternehmer und passionierte Polospieler will «Zirkus Maximus » bieten. « Weshalb nicht auch am Greifensee ? », sagt er bei einem Lunch im Restaurant Schifflände.

Zürich gilt als grösste Bündner Stadt der Welt. Und Maur ist eine Enklave davon. In der «Schifflände» am Greifensee, wo das beste Tartar weit und breit serviert wird, fühlt sich Reto Gaudenzi sofort wie zuhause. Wer mit ihm dieses Lokal betritt, wähnt sich schon fast im Engadin. «Bainvegni», wird Gaudenzi von einem zufällig anwesenden Bekannten begrüsst. Der Angesprochene winkt lässig, setzt sich ganz zuhinterst an einen Zweiertisch und blättert in der Menükarte. Sein Teint spiegelt die Sonne, die im Engadin wesentlich häufiger scheint als im Flachland. Sein Dialekt verströmt den sonoren Charme, der fast automatisch Feriengefühle weckt: «Lauwarmen Ziegenkäse zur Vorspeise – und dann Rindstartar, aber bitte scharf.»

Das Essen ist aber nur das zweitwichtigste Thema an diesem Mit­tag. Vor allem geht es um Gaudenzis grösste sportliche Leidenschaft – das Polospiel.

Eigentlich war er Eishockeyverteidiger und Bobfahrer, doch 1978 kam er in Spanien mit Polo in Berührung. Die ersten Erfahrungen waren schmerzhaft: «Bevor ich richtig im Sattel sass, fiel ich dreimal vom Pferd», erzählt er lachend. Doch damit war sein Ehrgeiz geweckt. Gaudenzi, der auf eine schöne Karriere als Hotelier zurückblickt, reiste nach Argentinien, trainierte drei Monate wie ein Verbissener und kaufte sich vier Pferde.

Herausragender Spieler

Als er in die Schweiz zurückkehrte, gründete er den nationalen Verband. Mit einem Handicap von plus 3 war er jahrzehntelang der beste Schweizer Spieler. Daraus entstand eine immer dynamischere Bewegung – und 1985 die Premiere des «Snow Polo World Cup» auf dem St. Moritzer See. Gaudenzi legt seine Gabel zur Seite und verliert für einen Moment sein Lächeln: «Die öffentliche Hand unterstützte uns damals mit keinem Rappen. Dabei legten wir den Anlass von Anfang an in eine Zeit des Jahres – in den Januar –, zu der die Hotellerie bei weitem nicht ausgelastet ist.»

Erfolgreiches Konzept

Gaudenzi ging auf Sponsorensuche – und rannte bei Cartier offene Türen ein. Ausserdem konnte er die Infrastruktur von White Turf benutzen. Im Gegensatz zum Organisator der Pferderennen setzte er von Beginn weg auf ein Catering im gehobenen Rahmen: «Wir waren die Ersten, die ein VIP-Zelt auf den See stellten. Zuvor standen dort nur zwei Wurstgrills und ein Glühweinstand.»

Das Konzept in Verbindung mit Sport auf höchstem Niveau wurde zum Grosserfolg. Bisher fand der Anlass 39 Mal statt. Einmal wurde er durch die Schneemassen verhindert, 2021 durch die Pandemie. Im vergangenen Januar machte das Tauwetter den Veranstaltern zu schaffen und reduzierte das Programm. Doch nun schaut man wieder nach vorn: Ende Januar 2025 jagen die besten Polospieler der Welt zum 40. Mal über den St. Moritzer See. «Ein grosses Jubiläum», freut sich Gaudenzi. Der Anlass bietet eine Atmosphäre, die das Publikum magisch anzieht. Auch in diesem Jahr strömten 26000 Besucher zum Snow Polo World Cup. «Wir erzielen heute eine Wertschöpfung in der ganzen Region von über 24 Millionen Franken», so Gaudenzi. «Das ist weltweit einzigartig.»

Internationaler Erfolg

Gaudenzi hat den Event, zusammen mit seinem Sohn Tito, auch in Miami, Kitzbühel, Rumänien und Aserbaidschan etabliert. Die Expansion auf den Roten Platz in Moskau scheiterte am russischen Angriff auf die Ukraine. Auf die fast schon kleinkarierte Frage, was seine Motivation sei, den Polosport in die Welt hinauszutragen, verschluckt sich der Engadiner beinahe am Tartar und antwortet dann kurz und bündig: «Wir wollen Zirkus Maximus bieten – eine Riesenshow überall.» Mit einem Augenzwinkern fügt er an: «Vielleicht sogar einmal in Maur.» Oder mit anderen Worten: Wenn sich das beste Tartar in Maur verspeisen lässt, ist auch Weltklasse-Polo im Schatten des lokalen Kirchturms möglich – zumindest für Reto Gaudenzi, den Weltbürger aus dem Engadin, der sich mit der Sprache aus seiner Heimat aus der «Schifflände» verabschiedet: «A revair.»

Dieser Beitrag ist am 12. Juli 2024 in der «Maurmer Zeitung» erschienen.

Thomas Renggli, Redaktion «Maurmer Zeitung»