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Schweiz
19.11.2024
19.11.2024 14:17 Uhr

Weiterer Anstieg der Gesundheitsprämien

Die KOF Konjunkturforschungsstelle prognostiziert einen Anstieg der Gesundheitsausgaben um 3,7 % auf 103 Milliarden Franken im Jahr 2025 und um 3,4 % auf 106 Milliarden Franken im Jahr 2026.
Die KOF Konjunkturforschungsstelle prognostiziert einen Anstieg der Gesundheitsausgaben um 3,7 % auf 103 Milliarden Franken im Jahr 2025 und um 3,4 % auf 106 Milliarden Franken im Jahr 2026. Bild: Adobe Stock
Die KOF Konjunkturforschungsstelle erwartet in ihrer von Comparis finanzierten Prognose einen weiteren Anstieg der Gesundheitsausgaben in den nächsten zwei Jahren. Comparis-Experte Felix Schneuwly warnt vor falschen politischen Eingriffen und betont, dass ohne Qualitätstransparenz die falschen Spitäler geschlossen werden könnten. Eine einheitliche Finanzierung könne zwar das Wachstum der Grundversicherungsprämien bremsen, aber ist kein Allheilmittel.

«Im Jahr 2027 werden die Gesundheitsausgaben auf über 12’000 Franken pro Person steigen», erwartet Comparis-Krankenkassenexperte Felix Schneuwly. Das sei jedoch verkraftbar, sofern das Wirtschaftswachstum anhalte und der Anteil der Gesundheitsausgaben weiterhin zwischen 11 und 12 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) betrage. Er warnt allerdings vor falschen politischen Eingriffen.

Die Spitalkrise hat 3 Ursachen

Auf der einen Seite leiden laut Schneuwly die Versicherten unter dem dritten Prämienschock bei der Grundversicherung in Folge. Auf der anderen Seite rutschen immer mehr Spitäler in die roten Zahlen, während andere mit Steuergeldern unnötig am Leben erhalten werden. 

Die Spitalkrise hat seines Erachtens 3 Ursachen: Erstens haben Kantone die gewollte Strukturbereinigung mit Subventionen an defizitäre Spitäler gebremst. Zweitens sind für die Vergütung der ambulanten und stationären Spitalleistungen nur «anrechenbare Kosten» massgebend. «Spitäler mit besserer Qualität haben keinen Wettbewerbsvorteil», so Schneuwly. Drittens werden nur bisherige anrechenbare Kosten für künftige Tarife berücksichtigt. «Die durch den Fachkräftemangel und die Inflation gestiegenen Kosten schmälern also den Ertrag der Spitäler», erklärt der Experte.

«Die Gefahr ist nun gross, dass die Politik mit noch mehr Planwirtschaft die Spitalkrise bewältigen will. Wenn die Kantone weiter defizitäre Spitäler mit Steuergeldern am Leben erhalten, kann das ebenso falsch sein, als würden diese Konkurs gehen, solange die Qualität bei der Vergütung keine Rolle spielen darf», warnt Schneuwly. 

«Kantone müssen sich überall im gleichen Mass beteiligen» 

Deshalb positioniert sich der Comparis-Experte als Befürworter der einheitlichen Finanzierung Efas. «Mit einem Ja zur einheitlichen Finanzierung werden nicht alle Probleme gelöst. Aber das Prämienwachstum wird gebremst, weil sich die Kantone und Kassen in allen Bereichen zu gleichen Teilen an den Kosten beteiligen.» 

Weil insbesondere der grösste Kostenblock – die ambulanten medizinischen Leistungen der Arztpraxen, Spitäler etc. mit insgesamt 23 Milliarden Franken – am stärksten wächst, sei es wichtig, dass sich die Kantone überall im gleichen Masse an den Kosten beteiligen, um den Anstieg der Prämien zu bremsen und sowohl die Ambulantisierung als auch die koordinierte medizinische Versorgung mit den alternativen Versicherungsmodellen (AVM) weiter zu fördern. 

Ein Beispiel: «Eine Leistenbruch-Operation kostet stationär in einem bestimmten Spital 8’449 Franken und ambulant 4’223 Franken. Der Kanton bezahlt für die stationäre OP 5’827 Franken und die Kasse 2’622 Franken. Wird der Leistenbruch ambulant operiert, bezahlt der Kanton nichts und die Kasse die gesamten 4’223 Franken, also mehr als für die teurere stationäre OP. Mit der einheitlichen Finanzierung bezahlt der Kanton für die stationäre OP 2’273 Franken und die Kasse 6’176 Franken bzw. der Kanton 1’136 Franken und die Kasse 3’087 Franken für die ambulante OP», erklärt der Experte.

Die Kantone müssten sich bei einer einheitlichen Finanzierung mit 26,9 Prozent auch an den ambulanten Kosten beteiligen. Deshalb würden die Grundversicherungsprämien für Telmed-, Hausarzt- und HMO-Modelle günstiger, ist Schneuwly überzeugt. Denn heute bezahlten die Kantone nichts an ambulante Behandlungen, aber sie profitierten überproportional von jedem durch eine gute ambulante Grundversorgung verhinderten Spitalaufenthalt.

Die Befürchtung, dass die einheitliche Finanzierung zu einem zusätzlichen Prämienanstieg führen wird, weil die Kassen auch 73,1 Prozent statt bislang 54 Prozent der Pflegekosten übernehmen müssen, hält er für unbegründet. «Die Pflegekosten sind mit 6 Milliarden Franken rund vier Mal kleiner als die 23 Milliarden Franken ambulante Kosten der Arztpraxen und Spitäler», so Schneuwly. 

Revision des Artikels 58 KVG soll Qualität besser regeln

Der Comparis-Experte fordert zudem eine umgehende Revision des vierseitigen Artikels 58 des Krankenversicherungsgesetzes (KVG): Die Qualitätsbestimmungen sollten durch klare und einfache Regelungen ersetzt werden. 

«Einerseits sollen medizinische Leistungserbringer nicht mehr abrechnen dürfen, wenn sie keine minimale Qualitätstransparenz schaffen. Die minimale Qualitätstransparenz ist in den Tarifverträgen mit den Krankenversicherern zu definieren. Andererseits soll der Bundesrat die minimale Qualitätstransparenz definieren, wenn er mit dem Resultat der Tarifpartner nicht zufrieden ist», so Schneuwly.

Zürioberland24/gg