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Kanton
08.07.2025

Transgender-Gesundheit: Schutz für Minderjährige

Ein neues Fachgremium soll entscheiden helfen, ob Minderjährige eine geschlechtsangleichende Behandlung bekommen sollen.
Ein neues Fachgremium soll entscheiden helfen, ob Minderjährige eine geschlechtsangleichende Behandlung bekommen sollen. Bild: facebook.ch
Im Kanton Zürich wurden vermehrt geschlechtsangleichende Eingriffe bei Minderjährigen vorgenommen. Die Gesundheitsdirektion reagiert mit neuen Standards und fordert klare Regeln vom Bund.

Wenn das biologische Geschlecht eines Menschen nicht mit dem empfundenen Geschlecht übereinstimmt, spricht man von Geschlechtsinkongruenz. Viele Betroffene – insbesondere Kinder und Jugendliche – erleben dabei erhebliche psychische Belastungen.

Dank besserer Aufklärung, medizinischer Fortschritte und wachsender gesellschaftlicher Akzeptanz – die sich teilweise allerdings auch in einem Trend äussert, das eigene Geschlecht zu hinterfragen – hat die Zahl geschlechtsangleichender Behandlungen in den letzten Jahren zugenommen. Eine Analyse zeigt, dass im Kanton Zürich auch bei Minderjährigen zunehmend Geschlechtsoperationen vorgenommen wurden.

Vorschnelle Behandlungen

Wie der Kanton Zürich schreibt haben Eltern von Transgender-Jugendlichen gegenüber der Gesundheitsdirektion (GD) grösstenteils anonym Vorbehalte geäussert, dass Behandlungen im Bereich der Geschlechtsinkongruenz zu vorschnell erfolgen. Gleichzeitig gab es eine vermehrte mediale Berichterstattung und öffentliche Debatte zur medizinischen Behandlung von Transgender-Personen.

Die Gesundheitsdirektion hat das Amt für Gesundheit beauftragt, die Operationen bei Minderjährigen mit Geschlechtsinkongruenz daher umfassend zu untersuchen. Gleichzeitig hat Regierungsrätin Natalie Rickli als Sofortmassnahme Anfang 2024 die Spitäler aufgefordert, geschlechtsangleichende Operationen bei Minderjährigen mit äusserster Zurückhaltung vorzunehmen und solche Eingriffe, wenn dann nur mit Einverständnis der Sorgeberechtigten durchzuführen.

Die Abklärungen des Amtes für Gesundheit ergaben zusammenfassend keine Hinweise auf systemische Versorgungsmängel im Bereich der medizinischen Behandlung von Minderjährigen mit Geschlechtsinkongruenz.

Neue Qualitätsstandards 

Zur Weiterentwicklung der Versorgung hat das Amt für Gesundheit ein Kompetenznetzwerk zur Diagnostik und Behandlung der Geschlechtsinkongruenz – unter der Leitung der Biomedizinischen Ethik der Universität Zürich – ins Leben gerufen. Ziel ist es, fachliche Standards in der Diagnostik und Versorgung zu verbessern und die Transparenz zu erhöhen.

Zum Schutz von Minderjährigen vor irreversiblen Operationen hat die GD bei Prof. Dr. iur. Gächter und Prof. Dr. iur. Tag auch ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, um den Handlungsspielraum eines Verbots irreversibler Behandlungen auf Kantonsebene zu prüfen. Das Rechtsgutachten zeigt, dass der gesetzgeberische Handlungsspielraum der Kantone begrenzt ist und auf Bundesebene anzusetzen wäre.

Eine empfohlene Massnahme aus dem Rechtsgutachten ist die Einrichtung eines interdisziplinären Indikationsboards zur Qualitätssicherung, um übereilte Diagnosen und vorschnelle Behandlungen zu verhindern. Die GD wird im Rahmen der Spitalplanung solche Indikationsboards als Voraussetzung für die Erteilung eines Leistungsauftrags festlegen. Ergänzend zum Kompetenznetzwerk und den Indikationsboards erfolgt die Abgabe von Pubertätsblockern im Rahmen wissenschaftlich begleiteter Studien.

Zürich fordert nationale Regeln

Während viele Länder in diesem Bereich eine «liberale» Praxis verfolgen, ist in einigen Ländern eine Tendenz zu grösserer Zurückhaltung bzw. Abkehr bei geschlechtsangleichenden Operationen bei Minderjährigen zu beobachten. Gemäss Rechtsgutachten erlauben Länder wie Grossbritannien, Finnland und Schweden keine irreversiblen Operationen bei unter 18-Jährigen.

Da auf Kantonsebene die Schaffung einer vergleichbaren Rechtsgrundlage nicht möglich ist, fordert der Kanton Zürich den Bund auf, eine gesetzliche Regelung beziehungsweise ein Verbot irreversibler Eingriffe bei Minderjährigen zu prüfen. Dazu gehört auch die Festlegung, dass die Abgabe von Pubertätsblockern grundsätzlich nur im Rahmen wissenschaftlich begleiteter Studien erfolgen sollte.

Mit den vorstehend erwähnten Massnahmen wurde erreicht, dass im letzten Jahr deutlich weniger Operationen an Minderjährigen durchgeführt wurden. Die Qualitätsstandards in der Gesundheitsversorgung im Kanton Zürich werden weiter ausgebaut, damit Betroffene und ihre Eltern bestmöglich betreut werden. Die Erkenntnisse werden den anderen Kantonen und dem Bund zur Verfügung gestellt.

Regierungsrätin Natalie Rickli: «Minderjährige, die während der Adoleszenz ihre Geschlechtsidentität noch entwickeln, sollen vor Eingriffen geschützt werden, die sie später bereuen könnten. Erst mit 18 Jahren kann man wählen und abstimmen, heiraten, einen Mietvertrag abschliessen oder seinen Wohnort und weitere Lebensaspekte selber bestimmen. Deshalb sollten auch sehr weitreichende Entscheidungen zu Geschlechtsanpassungen erst mit der Volljährigkeit möglich sein.»

Zürioberland24/gg