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Maur
11.06.2024
11.06.2024 06:01 Uhr

Kein Mehrwertausgleich in Maur

Mit 100:73 Stimmen entschied sich das Maurmer Stimmvolk dafür, auf den Mehrwertausgleich ganz zu verzichten.
Mit 100:73 Stimmen entschied sich das Maurmer Stimmvolk dafür, auf den Mehrwertausgleich ganz zu verzichten. Bild: Thomas Renggli
Von wegen frühsommerliche Gelassenheit: An der Gemeindeversammlung in Maur vom 10. Juni 2024 ging es hoch zu und her. Das Stimmvolk wies den Gemeinderat bei der neuen Wertgewinnsteuer in die Schranken.

Trotz frühsommerlichem Wetter war der Andrang an der Gemeindeversammlung im Looren-Saal bemerkenswert gross. Hauptgrund: Die Abstimmung über die Wertgewinnsteuer, die den Beitrag von Eigenheim- und Liegenschaftsbesitzern bei Auf- und Umzonung regelt. Maur wollte dabei seine Grundstückeigentümer mit dem Maximum von 40 Prozent zur Kasse bitten.

Gar nicht einverstanden war damit die SVP. Sie stellte einen Antrag auf 0 Prozent – also darauf, auf den Mehrwertausgleich ganz zu verzichten. Der ehemalige Kantonsrat Alex Gantner unterstützte dieses Begehren. In einer kurzen Ansprache gewährte er einen Einblick in die Möglichkeiten und Auswirkungen der neuen Steuer. Seine Hauptaussage: Den Gemeinden steht es frei, auf diese Steuer zu verzichten – und damit auch einen grossen Anfall an bürokratischen Prozessen zu vermeiden. Während auch die zahlreich anwesenden Eigenheimbesitzer für die «Null-Lösung» plädierten, schlug die Ortspartei der FDP den Kompromiss von 20 Prozent vor.

Krimi in drei Akten

Die Abstimmung entwickelte sich zum Krimi in drei Akten. Während das Maximum von 40 Prozent schon nach dem ersten Wahlgang vom Tisch war, musste in einer zweiten Wahl zwischen 20 und 0 Prozent entschieden werden. Und auch dort drückte sich das öffentliche Unbehagen gegen eine «Steuer auf Vorrat» (O-Ton eines Redners) durch: Mit 100 zu 73 Stimmen entschied sich das Maurmer Stimmvolk dafür, auf den Mehrwertausgleich ganz zu verzichten.

Doch damit war die Sache noch nicht ausgestanden. Ein Stimmbürger forderte, dass das Geschäft an die Urne kommen soll. Begründung: Entscheiden nur 178 Bürgerinnen und Bürger über ein derart wichtiges Geschäft, sei dies von Zufall umweht. Doch auch darauf mochten sich die Anwesenden nicht einlassen – sonst könne man die Gemeindeversammlung künftig ganz sein lassen, so eine Wortmeldung.

Erfreuliche Jahresrechnung

Erfreulicher präsentierte sich die Lage für den Gemeindepräsidenten Yves Keller bei der Jahresrechnung. Diese schliesst mit einem Aufwandüberschuss von moderaten 24'700 Franken ab. Dabei war ein Defizit von 2,63 Millionen budgetiert gewesen. Die Ergebnisverbesserung beträgt rund 2,61 Millionen – und geht vor allem auf ein Mehr bei den Steuereinnahmen zurück.

Ebenfalls erfreulich: Die Selbstfinanzierung (Cashflow) erreichte 10,35 Millionen Franken, die Nettoinvestitionen im Verwaltungsvermögen von 6,32 Millionen konnten damit vollständig aus eigener Kraft finanziert werden. Das Nettovermögen stieg durch den Finanzierungsüberschuss von 4,026 Millionen auf 89,02 Millionen per Ende 2023.

Die Rad-WM als heisses Eisen

Im späteren Verlauf der Versammlung war auch die Rad-WM ein Thema, die Maur im kommenden September ins Zentrum der Sportwelt rückt. Wer die letztjährigen Titelkämpfe in Glasgow verfolgte, weiss: Der Anlass verspricht Spektakel, Spannung und grosse Emotionen – Radsport auf Weltniveau in Reinkultur. Damit dies möglich wird, ist von allen Beteiligten grösster Einsatz erforderlich.

In der Gemeinde Maur scheint man sich diesen Tatsachen aber noch nicht richtig bewusst zu sein. An der Gemeindeversammlung wurden konkrete Fragen zum Anlass nur oberflächlich beantwortet. So ist beispielsweise noch kein Kredit gesprochen, um die nötigen Arbeiten bezüglich Sicherheit und Strassenbauten zu erstellen.

Während die Nachbargemeinden Zumikon (34‘000 Franken), Zollikon und Küsnacht (je 30‘000 Franken) bereits einen konkreten Budgetposten aufgestellt haben, heisst es in Maur: «Der Gemeinderat hat noch keine Kredite dazu gesprochen.» Sobald eine zuverlässige Angabe zu den Gesamtkosten gemacht werden könne, werde die intern eingesetzte Projektgruppe für die Rad-WM dem Gemeinderat einen entsprechenden Kreditantrag unterbreiten: «Nach Abschluss der Veranstaltung wird die Abrechnung erstellt und die Bevölkerung entsprechend informiert.»

Was geschieht mit den Campingtouristen?

Ein offener Punkt ist auch der Umgang mit den Tausenden von Campingtouristen, die das Greifensee-Gebiet im September besuchen werden. Maur setzt quasi auf eine Reduit-Taktik. Unter anderem wurde die Kooperation mit einem privaten Sicherheitsdienst vereinbart. Ausserdem hiess es am Montag im Loorensaal: «Es wurde beschlossen, bestimmte Wald- und Flurstrecken zu sperren, um Wildcamper fernzuhalten.» Auf den Parkierungsanlagen werde deutlich signalisiert, dass das Campen dort verboten ist.

«Maurmer Post» vor ungewisser Zukunft

Ebenfalls ein Thema waren die Unruhen um die Dorfzeitung «Maurmer Post», über die der Gemeinderat seit März 2024 die redaktionelle Hoheit besitzt. Zur Zukunft der Publikation sagte Gemeindepräsident Yves Keller: «Nach Einschätzung des Gemeindeamts des Kantons Zürich sind die gegenwärtigen Strukturen und das Inhaltskonzept der Maurmer Post nicht zulässig.» Begründung: Es sei ein «Konstruktionsfehler», dass die redaktionellen Mitarbeitenden einerseits Gemeindeangestellte seien – und teilweise anderseits behördenkritisch zu berichten hätten. Diesen Sachverhalt habe der Bezirksrat in Uster zu klären.

Zusätzliche Kosten

So oder so kostet die Affäre den Steuerzahler weiter Geld. Weil die aktuelle Redaktion offenbar nicht in der Lage ist, dem Leistungsauftrag nachzukommen, wird sie in der Zeitungsproduktion und in der technischen Arbeit von externen Kräften unterstützt. Kostenpunkt: 58‘000 Franken bis Ende Jahr. Ob es schon bald nochmals zu einer Abstimmung über die Privatisierung der Zeitung kommen wird, lässt der Gemeinderat offen. Yves Keller: «Die weiteren Schritte des Gemeinderats hängen vom Entscheid des Bezirksrats ab.» Oder mit anderen Worten: Eine politische Instanz versteckt sich hinter der anderen.

Thomas Renggli